Ich weiß nicht, irgendwie habe ich das Gefühl, dass ein großer Teil meiner Zeitgenossen aus der bürgerlichen Wohlstandswelt ausbrechen möchten, um ihre „Unlust an der Kultur“ auszuleben.

„Die Babyboomer-Generation ist aufgewachsen mit der Angst vor der Apokalypse. Millenials dagegen fällt der Ruf nach Waffenlieferungen leicht – zum Glück“.

Es ist wieder soweit. Das Kriegsgeheul hebt an. So wie der Schreiber dieses hier  verlinkten Artikels, der zwischen den Zeilen auch noch seine Verachtung für diejenigen durchblicken lässt, die zu Besonnenheit und Mäßigung aufrufen, dürfen sich in den Qualitätsmedien jetzt viele austoben.

Lange Zeiten der Ruhe führen dazu, dass uns wieder das Fell juckt. Junge Menschen sind hinreichend nachgewachsen, bereit, es darauf ankommen zu lassen. Hatte man bisher eher den Eindruck, wir hätten es mit einer „Generation Jammerlappen“ zu tun, muss man nun feststellen, dass uns hier Helden nachgewachsen sind.

Oder ist die Erzählung der Propaganda-Medien frei erfunden, die sich als „letzte Generation“ Bezeichnenden wären nun bereit für den finalen Endkampf zwischen Gut und Böse?

Man kann sich nur wundern – Generation Y und Z (darf man Z eigentlich noch schreiben?): Angst vor Atomkraftwerken, vor Corona, vor dem Klimawandel, zum großen Teil auch Angst vor der Arbeit. Work-Life-Balance war bisher das Wichtigste in ihrem Leben, wenig Arbeit, viel Spaß, Anstrengungsbereitschaft hochgradig defizitär – nun plötzlich ist alles anders, die Angst wie weggeblasen?

Atomkrieg? Ja, man muss ihn verhindern, aber wenn es denn gar nicht anders geht … „das Leben kehrt irgendwann zurück, so wie in Hiroshima und Tschernobyl“ (so noch einmal der oben Zitierte. Wie verbrannt und vernebelt kann ein Gehirn nur sein?)

Ein kurzer Blick zurück

Ein kurzer Blick zurück kann helfen. Dazu Zitate aus dem Kapitel „Die ersten Stunden des Krieges von 1914“ aus Stefan Zweigs Buch „Die Welt von gestern“, geschrieben 1941:

„Und trotz allem Haß und Abscheu gegen den Krieg möchte ich die Erinnerung an diese ersten Tage in meinem Leben nicht missen: Wie nie fühlten die Tausende und Hunderttausende Menschen, was sie besser im Frieden hätten fühlen sollen: daß sie zusammengehörten. Eine Stadt von zwei Millionen, ein Land von fast fünfzig Millionen empfanden in dieser Stunde, daß sie Weltgeschichte, daß sie einen nie wiederkehrenden Augenblick miterlebten und daß jeder aufgerufen war, sein winziges Ich in diese glühende Masse zu schleudern, um sich dort von aller Eigensucht zu läutern. Alle Unterschiede der Stände, der Sprachen, der Klassen, der Religionen waren überflutet für diesen einen Augenblick von dem strömenden Gefühl der Brüderlichkeit. Fremde sprachen sich an auf der Straße, Menschen, die sich jahrelang auswichen, schüttelten einander die Hände, überall sah man belebte Gesichter.“ …..

„Die Generation von heute, die nur den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mitangesehen, fragt sich vielleicht: warum haben wir das nicht erlebt? Warum loderten 1939 die Massen nicht mehr in gleicher Begeisterung auf wie 1914? Warum gehorchten sie dem Anruf nur ernst und entschlossen, schweigsam und fatalistisch? Galt es nicht dasselbe, ging es eigentlich nicht noch um mehr, um Heiligeres, um Höheres in diesem unseren gegenwärtigen Kriege, der ein Krieg der Ideen war und nicht bloß einer um Grenzen und Kolonien?“ …..

„Die Antwort ist einfach: weil unsere Welt von 1939 nicht mehr über so viel kindlich-naive Gläubigkeit verfügte wie jene von 1914.“ ……

„1939 dagegen war dieser fast religiöse Glaube an die Ehrlichkeit oder zumindest an die Fähigkeit der eigenen Regierung in ganz Europa schon geschwunden. Man verachtete die Diplomatie, seit man erbittert gesehen, wie sie in Versailles die Möglichkeit eines dauernden Friedens verraten; die Völker erinnerten sich zu deutlich, wie schamlos man sie um die Versprechungen der Abrüstung, der Abschaffung der Geheimdiplomatie betrogen. Im Grunde hatte man 1939 vor keinem einzigen der Staatsmänner Respekt, und niemand vertraute ihnen gläubig sein Schicksal an.“

Soweit die Einschätzungen eines Zeitzeugen von 1914 und 1939.

Einschub: Ein Zeitzeuge ist der natürliche Feind des Historikers. Kann doch ein Zeitzeuge, ähnlich einem Frosch auf der Wiese, bestenfalls nur die Spitzen der Grashalme erkennen – ein Adler sieht das ganze Bild, sieht alle Frösche, wie sie quakend und einander nicht sehend auf der Wiese verteilt sind. So jedenfalls die Lesart in der Historikerzunft. Mir selbst ist es immer erstaunlich, wenn 30jährige Historiker, Absolventen einer linken westdeutschen Universität mir erklären, wie sich das Leben in Ostdeutschland zu Zeiten der Diktatur angefühlt haben muss. Es ist schon immer so gewesen, erst wenn der letzte Zeitzeuge gestorben ist, läuft die Historikerfraktion zu Höchstleistungen auf und erzählt der Welt die Lüge, auf die sie sich geeinigt haben. Sie nennen es dann Geschichte.

Mir kommt es so vor, als taumelten wir in Europa wieder in einen großen Krieg weil die Zeit des Friedens zu lang war – über 70 Jahre, ähnlich wie 1914.

Die sogenannte Boomer-Generation, zu der ich mich selbst zähle und die der Anfangs verlinkte Schreiber so verächtlich macht, hat zwar den Krieg auch nicht erlebt, hat aber noch eine schwache Vorstellung davon, wie es war. Einer meiner Großväter war in beiden Kriegen, der andere im Zweiten und in russischer Kriegsgefangenschaft. Das Wenige, was sie mir als jungen Mann davon erzählen wollten, hat gereicht.

Kriegsgeheul und Pöbeldiplomatie

Wieder werden wir in einen Krieg hineingelogen. Wieder spielen Zeitungen und Medien mit in der Einstimmung der Massen auf Entbehrungen. Stimmen, die zur Mäßigung, zum Innehalten aufrufen, werden wenig gehört. Intellektuelle unterschreiben die Forderung nach Waffen und weiterer Eskalation. Angeblich kann nur so Frieden herbeigeführt werden. Frieden schaffen mit noch mehr Waffen.

Im Übrigen: „Intellektuelle“ war für Hannah Arendt eher eine Art Schimpfwort – hier nachzuhören ab etwa Minute 32 – sie waren in ihrer Mehrheit schon immer besonders lakaienhaft im Verhältnis zu den Mächtigen.

Ein endgültiger Sieg über Russland muss her, um die Demokratien des Westens vor der asiatischen Barbarei zu retten. Russland muss endgültig besiegt werden, um den Durchmarsch bis zum Atlantik aufzuhalten.

Sie spielen mit dem Feuer und sie wissen es. Putin hat in Selbstüberschätzung diesen Krieg begonnen aber es soll ihm auch nicht die Spur einer Chance gelassen werden, aus diesem Krieg wieder heraus zu kommen.

Angeblich kämpft das ukrainische Volk für die Verteidigung der Demokratie in Europa. Geht es eigentlich auch ein wenig kleiner? Wirklich alle Ukrainer? Oder sollen sie, für den Machterhalt einer kleptokratischen, von außen gesteuerten Clique und für die endgültige Ausschaltung Russlands als Großmacht, im Kampf bis zum letzten Mann, verheizt werden? Ich behaupte, den meisten Ukrainern wäre alles recht, wenn nur die Kriegshandlungen endlich zum Stillstand kommen würden und die Diplomatie einsetzen würde.

Selenski soll 850 Millionen schwer sein. Woher das Geld? Deshalb der Ruf nach der EU-Mitgliedschaft, damit sich die ukrainische Oligarchie zukünftig noch besser die Taschen voll machen kann?  Setzt man den Korruptionsindex an, passt die Ukraine besser zu Russland als zur EU.

Mitglieder europäischer Regierungen werden von pöbelnden ukrainischen Diplomaten beleidigt und beschimpft, wenn sie nicht schnell genug den immer unverschämteren Forderungen nach Geld und Waffen nachkommen.

Den Krieg in der Ukraine nehmen die Regierungen der EU zum Anlass, alle, aber auch wirklich alle Errungenschaften des europäischen Wohlstandes zu vernichten. Wir werden in den ökonomischen Selbstmord getrieben zu Lasten der einfachen Menschen in Europa. Die Regierungen Europas werden zu den Feinden ihrer eigenen Völker.

Was ist das Ziel all dessen? Genauso, wie Putin nicht seine geplanten Ziele erreichen wird, ist es völlig weltfremd, davon auszugehen, man könnte die russische Armee wieder in Gänze aus der Ukraine vertreiben. Dazu ist es zu spät.

Der Krieg hätte verhindert werden können, hätte Selenski der Neutralität der Ukraine zugestimmt und hätte er Minsk II umgesetzt. Das war nicht gewollt, das durfte er nicht.

Ein Blick auf den Globus – nicht in den Atlas, hier sind die Maßstäbe ungenau – zeigt, was Europa ist. Eine Halbinsel der eurasischen Landmasse, bestens geeignet als Fußabtreter und Sprungbrett der USA.

Und es scheint mir, als wären die, deren Name nicht genannt werden darf, die aber in ihrer Mehrzahl in den USA leben, bereit, ganz Europa brennen zu lassen, wenn sie selbst möglichst ungeschoren davonkommen. 

Aufhören!

Die Verlängerung des Krieges um jeden Preis muss ein Ende haben. Es ist nicht unser Krieg. Flüchtlinge aufnehmen ja, humanitäre Hilfe ja, aber keine Waffen. Waffenstillstand und Diplomatie! Doch nicht einmal der Versuch wird gemacht. Wenn wir am Ende Kriegspartei werden, sollte allen klar sein, warum. Nicht allein, weil Russland die Ukraine überfallen hat, sondern weil der Westen endlos eskaliert. Das Ende wird verbrannte Erde sein.

Ich kann nur hoffen, dass die jungen Menschen merken, welcher Lüge ihre Zukunft geopfert wird und aufhören, der Propaganda auf allen Seiten zu glauben. Es gab einmal eine Friedensbewegung, deren Credo lautete „Frieden schaffen ohne Waffen“. Wo ist sie?