Ein Tag mit meinem Enkelsohn. Ich sah dabei zu, wie der Junge mit seinen kleinen Händen die Kiste mit den Bausteinen großflächig auf den Boden schüttete. Die Herbstsonne stand schräg und aus einer auf dem Teppich liegenden Perspektive sahen diese wirr verteilten Klötzchen aus, wie die Skyline einer beliebigen modernen Stadt. Wir hätten gar nicht mehr bauen brauchen, die Stadt war schon fertig.
Genau so sehen sie vom Weiten aus, die Städte der Neuzeit – eine seelenlose Architektur, brutal, hässlich, monumental, eine einzige Manifestation des Egos von Architekten. Am meisten stören darin die Menschen. Bei modernen Repräsentationsbauten überschlagen sich die nach Architekturpreisen gierenden Konstrukteure darin, das jeweils technisch Mögliche mit den abstrusesten Bildern aus Science-Fiction-Filmen zu verbinden. Behausungen für die Massen der Menschen sind riesige Betonklötze mit eingebauten Fächern als bloße Verwahrbehältnisse. Wohnwaben mit jeweils einem Loch in der Wand als Einlass und als Ausblick.
Die meisten Architekten machen auch gar keinen Hehl daraus. Der bekannte Architekt Le Corbusier beispielsweise „verarbeitet die biologische Einheit des Menschen“, Wohnungen sind für ihn multifunktional und flexibel nutzbare Zellen. Seine Stadtentwicklungskonzepte „Ville Contemporaire“ und „Ville Radieuse“ sollte man sich ansehen – ein Ästhet wendet sich mit Grausen.
Ich will hier nicht auf weitere Beispiele eingehen, jeder Interessierte kann in einer Suchmaschine die Worte hässlich, modernistisch, Skyline, Architektur in beliebiger Zusammensetzung eingeben und sich überzeugen.
Gegenbeispiele gibt es auch, aber selten. Der Architekt Léon Krier, ein Vertreter des „New Urbanism“, ist einer der Wenigen, die eine Abkehr von modernistischer Architektur fordern.
Die meisten Menschen würden einen klassischen Baustil einem modernistischen vorziehen. Gebaut wird zumeist trotzdem nicht nach dem Willen der Vielen. Wäre es nach dem Willen von damals bekannten Architekten gegangen, die Dresdener Frauenkirche wäre nie in ihrer alten Pracht wieder aufgebaut worden, die Experten hätten den Willen der Bürger am liebsten ignoriert – ein Glücksfall und eine Ausnahme, dass es hier anders gekommen ist. Damit lässt sich trefflich über einen zu vermutenden Zusammenhang zwischen Demokratie und Modernismus nachdenken. Demokratie als Zeitalter der Hässlichkeit – das gibt Stoff für viele Blogbeiträge.
Die moderne Architektur ist eine Abkopplung von den Bedürfnissen und Erwartungen der Menschen. Sie ist Ausdruck des Niedergangs des zivilisierten Menschen.
„Es ist eine ganz entscheidende und in ihrer vollen Bedeutung nie gewürdigte Tatsache, dass alle großen Kulturen Stadtkulturen sind“
„Der Steinkoloss Weltstadt steht am Ende des Lebenslaufes einer jeden großen Kultur“
„…wenn die Masse der Mieter und Schlafgäste in diesem Häusermeer ein irrendes Dasein von Obdach zu Obdach führt, …, ist der intellektuelle Nomade völlig ausgebildet“ (O.Spengler – Die Seele der Stadt in Der Untergang des Abendlandes)
Der hier benannte intellektuelle Nomade ist der heutige „Anywhere“ und die Worte Oswald Spenglers sind heute richtiger als je zuvor. Der Stadtmensch, überall und nirgends zu Hause, bindungs- und heimatlos. In jeder beliebigen Großstadt umgeben von Hässlichkeit, manifestiert als moderne Architektur, Kunst und Werbung. Fast alles, was Menschen auch heute noch als schön, wärmend, die Seele berührend und ästhetisch empfinden, stammt aus einer Zeit vor dem 20. Jahrhundert.
Heimat ist dort, wo es WLAN gibt – dieser Ausspruch zeigt, wo die Reise hingeht und diese Tatsache ist beunruhigender als die Frage, welche Partei gerade das Rennen um die Versorgungsposten gewonnen hat. „One World“ für heimatlose „Menschen“ - die Apologeten des Zeitgeistes können es kaum erwarten.