Die meisten denken heute, das Teilen von Dingen und Objekten wäre eine Erfindung der Neuzeit, weshalb man Neudeutsch dafür das Wort „Sharing“ gebraucht und es gern mit Ressourcenschonung sowie Welt- oder Klimarettung in Zusammenhang bringt.
Alles wird geteilt
Car-Sharing kennen wir schon. Desk-Sharing wird modern - der Arbeitnehmer kommt nur ab und zu einmal ins Büro und nutzt den Schreibtisch, der gerade frei ist, ansonsten macht er Heimarbeit. Der Arbeitgeber spart Bürofläche, Heiz- und Energiekosten, der Arbeitnehmer arbeitet zu Hause im Wohnzimmer - Kinder werden derweil weggesperrt.
Jetzt kommt das Wohnungs-Sharing und die Neuauflage der Kommune 1 – Neudeutsch Collaborative Living und Conceptual Living. Das soll insbesondere jungen Leuten schmackhaft gemacht werden.
Für Studenten und Singles vielleicht tragbar - aber für Familien? In Deutschland fehlen zwei Millionen Wohnungen – warum nur? An der Zunahme der Zahl autochthoner Einwohner kann es nicht liegen.
Das neue Wohnen: Der eigentliche private Raum winzig klein, wenn überhaupt vorhanden. Gemeinsame Funktionsräume zum Kochen, Duschen, Fitness.
Wohnzimmer gleichzeitig Home Office und Esszimmer, flexible Funktionsbereiche, Bett zum Schreibtisch umbaubar usw.
Ein wunderbares Leben oder ein Alptraum? Dazu die Städte der Zukunft: Schematische, kalte Neubauviertel, sterile und brutale Architektur. Die Moderne hat bereits die klassische Stadtbaukunst abgeschafft, jetzt wird den Menschen noch der letzte Zufluchtsort, seine eigene Wohnung genommen.
Alles schon einmal da gewesen
Aber was ist so neu daran? Wenig.
Bis vor etwa 100 Jahren gab es noch die sogenannten Schlafgänger oder Bettgeher. Leute, die sich ein Bett in der Zeit mieteten, in dem es sonst ungenutzt gewesen wäre. Dem gegenüber standen die Vermieter, die sich die Wohnung eigentlich nicht leisten konnten und auf das schmale Zubrot der Bettgeher angewiesen waren. Eine echte Win-Win-Situation. Schon damals verstand man Not mit optimaler Ressourcennutzung zu verbinden.
Ein besseres Beispiel gibt es aus dem ersten sozialistischen Großexperiment der Geschichte. Die Kommunisten in der Sowjetunion wollten schon immer den Wohnraum der Untertanen in Orte sozialistischer Kollektive verwandeln. Dazu gab es Kommunalwohnungen, die sogenannte „Kommunalka“. Mehrere Familien wohnten dort zusammen, gemeinsame Nutzung von Toilette und Küche. Niemand durfte mehr als 8 Quadratmeter für sich allein beanspruchen. Die Vorsitzenden der Hauskomitees – in Deutschland würde man Blockwarte sagen – überprüften die Nutzung des Wohnraumes und kontrollierten das Privatleben der Bewohner. Das Denunziantentum blühte, auch das in Analogie zu heute, einer kontrollierte den anderen.
Nun müssen wir uns nur noch das moderne Wohn-Sharing in Verbindung mit der Corona-Krise vorstellen, um die Dystopie perfekt zu machen. Wer glaubt, Corona ginge vorbei, muss nur dem Philanthrop und Seher Bill Gates gut zuhören – die nächste Seuche ist in Vorbereitung.
Wollen wir das wirklich?
Wo soll das eigentlich noch hinführen? Viel zu viele Menschen. Heimatlose Arbeitsnomaden, nichts besitzend, ruhelos herumziehend, digitale Tagelöhner. Familie und menschliche Solidarität und Nähe als Auslaufmodell.
Und wo bleiben die Kinder? Kinder spielen in den Plänen über zukünftiges Wohnen keine Rolle. Heute bereits ist es so, dass viele digitale Heimarbeiter nicht wissen, wo sie in Ruhe arbeiten sollen, wenn Kinder im Haushalt leben. Und nun sollen die Wohnungen noch kleiner werden? Wo bleiben dann die Kinder? Werden sie den Eltern nach der Geburt weggenommen und in staatlichen Aufzuchtbetrieben zum funktionierenden Staatsbürger geformt?
Über die Alten redet sowieso niemand mehr. Sie werden heute schon in Heimen gesammelt, wo sie vor sich hinvegetieren um am Ende einsam und allein zu versterben.
Mit moralisierendem Pathos wird Menschenrecht und Menschenwürde wie ein Mantra überall vor sich hergetragen. Wohnen ist ein Menschenrecht wird gesagt. Wie in Würde gewohnt wird scheint dabei beliebig bestimmbar.